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OneSpace Designer versus CATIA

Ein Softwarevergleich im Rahmen der CAD-Ausbildung im Maschinenbau

Manfred Grafinger, Institut für Konstruktionswissenschaften, TU Wien

Die Ausbildung der Maschinenbaustudenten im Bereich CAD-CAE ist in den letzten Jahren zu einem Kernbestandteil der konstruktiven Ausbildung im Maschinenbau geworden. Es gibt heute keine Konstruktionsübung mehr, in der nicht die Arbeit am Computer vorausgesetzt wird. Schlussendlich wird in der Industrie auch ein professioneller Umgang mit CAD-Systemen von jedem Maschinenbauabsolventen erwartet.

An den "konstruktiven" Instituten werden zurzeit hauptsächlich die CAD-Pakete OneSpace Designer (früher ME10 und SolidDesigner) von CoCreate und CATIA von IBM/Dassault Systemes, die beide campusweit an der TU verfügbar sind, eingesetzt. Anhand der in der Lehre gewonnenen Erfahrungen möchte ich nun hier einen kurzen vergleichenden Überblick der beiden doch recht unterschiedlichen Systeme geben.

Historisches: Vom Zeichenbrett zum 3D-Modell

1997 wurde mit der Einrichtung des CAD-Labors am Getreidemarkt für die Lehre ein großer Schritt weg vom Zeichenbrett in Richtung CAD gesetzt. Von da an stand für alle Studenten unabhängig vom möglichen Einsatz von AutoCAD am Heim-PC ein CAD-Arbeitsplatz für die Konstruktionsübungen zur Verfügung. Als Software wurden ME10 (2D) und SolidDesigner (3D) als Campuslizenz angeschafft und am CAD-Server installiert.

Der SolidDesigner wurde in den ersten Jahren noch auf dem Server betrieben und die Grafik über X-Windows zu den Terminals ausgegeben. Dass diese Konfiguration trotz der intensiven Grafikanforderungen eines 3D-Systems zumindest für die vorerst 5 Lizenzen noch halbwegs annehmbar lief, ist der schlanken und ressourcensparenden Struktur des SolidDesigner zu verdanken.

Im Jahr 2000 konnte ein weiterer CAD-Saal mit 16 Workstations ausgerüstet werden, wodurch eine intensivere Nutzung der 3D-Programme für die Studenten möglich wurde. Nach Anregung des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen wurde auf diesen Workstations auch CATIA V5 installiert, sodass nun beide Systeme parallel nutzbar sind.

Ressourcenbedarf der Systeme

Die 2D-Software OneSpace Designer Drafting, früher ME10 genannt, läuft im Lehrsaal nach wie vor über X-Terminals vom CAD-Server. Die Entwicklung von ME10 stammt aus der Zeit, als der Bedarf an System- ressourcen auf dem Rechner noch von Bedeutung waren. Dementsprechend sparsam ist ME10 trotz guter Funktionalität im Umgang mit den Ressourcen. Die Installation benötigt unter 100 MB Plattenplatz und ein typischer ME10-Prozess belegt gerade mal ca. 20 MB im RAM. Die erforderliche Grafikleistung ist bei 2D-Systemen auch kein Thema. Daher ist es uns immer noch möglich, bei Vollbelegung bis zu 60 ME10-Fenster über X-Windows übers Netz zu schicken.

Etwas anders sieht die Sache beim OneSpace Designer Modeling aus. Naturgemäß brauchen 3D-Systeme eine wesentlich höhere Grafikperformance für das dynamische Betrachten der modellierten Teile und Baugruppen. Hier kann man ohne lokale 3D-Hardwarebeschleunigung heutzutage nicht mehr vernünftig arbeiten. Daher wurde der Betrieb des SolidDesigner auf dem CAD-Server im Jahr 2000 eingestellt und auf die Workstations verlagert. Trotzdem ist auch der OneSpace Designer Modeler relativ schlank geblieben. Die Installation benötigt ca. 600 MB Plattenplatz und bei kleineren Baugruppen kommt man auch mit 256 MB RAM noch aus.

Ganz anders präsentiert sich hingegen CATIA als Ressourcenelefant. Mit der Erstkonfiguration der Arbeitsplätze mit 256 MB RAM konnte man mit dem SolidDesigner noch brauchbar arbeiten, wogegen CATIA bereits nach dem Starten fast den gesamten Hauptspeicher belegte, ohne dass noch ein Teil modelliert wurde. Dies machte eine dringende Aufstockung des Hauptspeichers erforderlich, um vernünftig mit dem System arbeiten zu können. Als unterste Mindestvoraussetzung sind 512 MB RAM erforderlich. Auch mit dem Plattenplatz geht CATIA nicht gerade sparsam um. Dies betrifft sowohl die Installation als auch die Dateigrößen der erstellten Modelle.

Funktionalität

OneSpace Designer Drafting ist ein vollständig ausgereiftes 2D-System, das von der jahrelangen ME10-Entwicklung profitiert. Es bietet zusätzlich zu dem für 2D-Systeme üblichen Funktionsumfang die Möglichkeit zum Einbringen einer Baugruppenlogik (siehe Bild 1), eine Änderungskontrolle mit Variantenvergleichen und Geometriesteuerung über Parametrisierungen. Wobei bei Parametrisierungen im 2D-System mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden muss, damit die Ansichten zueinander stimmig bleiben.

Bild 1

Bild 1: Baugruppenstruktur eines Gleitlagers in ME10

OneSpace Designer Modeling ist einer der seltenen am Markt verfügbaren Grenzflächenmodellierer. Damit kennt das bearbeitete Teil keine Entstehungsgeschichte, sondern es wird im System immer aufgrund seiner realen momentanen Geometrie abgebildet. Das hat den Vorteil, dass bei Änderungen am Teil nicht plötzlich "von Kollegen zugestopfte Löcher" wieder auftauchen, allerdings gleichzeitig auch den Nachteil, dass man später nicht wie bei den Historybased-Systemen (siehe CATIA) auf bestimmte Bearbeitungsfeatures zurückgreifen kann. Dafür bietet der OneSpace Designer mit dem so genannten Dynamischen Modeling (siehe Bild 2) eine sehr einfache Möglichkeit, durch Ziehen von Grenzflächen, Verändern von Durchmessern, ... vielfache Änderungen am Teil vorzunehmen. Für einzelne Abmessungen lassen sich Parameter definieren, die auch über Variantentabellen gesteuert werden können, dies ist jedoch nicht vergleichbar mit einem vollparametrischen System wie Pro/Engineer oder CATIA. Für die 2D-Zeichnungsableitung steht ein Annotation-Modul zur Verfügung, der im Funktionsumfang jedoch nicht ganz an ME10 herankommt. Man kann aber sehr einfach die Ansichtenableitung aus dem Modeler direkt ins Drafting (ME10) übernehmen. OneSpace Designer bietet eine Anbindung zur NC-Fertigung, sowie einen integrierten FE-Vernetzungsalgorithmus und viele Schnittstellen für den Datenaustausch zu anderen Systemen.

Bild 2

Bild 2: Dynamisches Ziehen einer Fläche im SolidDesigner

CATIA gehört in die weitverbreitete Gruppe der Historybased-Systeme. Jede Bearbeitung am Teil wird im so genannten Bearbeitungsbaum (siehe Bild 3, linker Rand) abgelegt und bei Änderungen am Teil wird der Baum neu durchgerechnet. Somit kann jederzeit auf frühere Bearbeitungsschritte zurückgegriffen werden und der Teil bis in seine Grundzüge auch nachträglich neu gestaltet werden. Alle vollparametrischen CAD-Systeme arbeiten mit Bearbeitungsbäumen, in denen auf die einzelnen Bearbeitungsschritte über die Parameter zugegriffen werden kann. Dadurch lassen sich bei Variantenkonstruktionen auch recht unterschiedliche Teilefamilien aus einer Konstruktionstabelle generieren. Es muss aber unbedingt auf gut strukturierte Referenzierungen bei der Erstellung des Teiles geachtet werden, damit das Teil durch Parameteränderungen nicht unbrauchbar wird. Ebenso ist große Sorgfalt beim Ändern der Bearbeitungsreihenfolge innerhalb des Baumes erforderlich, da spätere Bearbeitungen ja auf frühere Ergebnisse (Flächen) referenziert sind und diese bei anderer Anordnung möglicherweise wegfallen. In CATIA stehen eine Vielzahl von Modulen für Fertigungssimulation, FE-Analysen, Zusammenbau- und Kinematikanalysen, Rohrverlegung, Elektroplanung mit Kabelbaumverlegung und vieles mehr bis hin zu einem "Human Modeler" für Arbeitsplatzergonomiegestaltung zur Verfügung. Als kleine Schwachstelle hingegen muss die Zeichnungsableitung mit dem Drafting-Modul genannt werden. Offensichtlich wird in der Programmentwicklung eines 3D-Systems nicht so großer Wert auf die 2D-Ableitung gelegt. Gerade im 2D-Modul treten immer wieder Fehler bei Ansichts- und Schnittberechnungen, sowie bei verschiedenen Normdarstellungen auf.

Bild 3

Bild 3: Bearbeitungsbaum für Verdichtergehäuse in CATIA V5

Benutzerfreundlichkeit

Die Erfahrungen mit OneSpace Designer Drafting in den einführenden CAD-Lehrveranstaltungen sind durchwegs positiv. Obwohl ME10 unter Unix nicht die gewohnte Windows-Umgebung bietet, können sich die Studenten rasch einarbeiten, da die Befehls- und Menüebenen sehr flach und gut strukturiert sind.

Auch mit OneSpace Designer Modeling ist ein sehr intuitives Arbeiten möglich. Der SolidDesigner arbeitet als Grenzflächenmodeller ohne History (Bearbeitungsgeschichte) des Teiles (siehe oben). Dadurch ist ein Bearbeiten der Teile ohne Rücksicht auf vorhergehende Bearbeitungsschritte oder auf Querreferenzierungen innerhalb der Bearbeitungsfeatures möglich. Schon nach sehr kurzen Einarbeitungszeiten lassen sich in den Übungen schnelle Fortschritte erzielen.

Durch die hohe Komplexität der parametrischen Modellierung ist für CATIA ein entsprechend höherer Einschulungsaufwand nötig, um die umfangreiche Funk- tionalität auch nutzen zu können. Der Bearbeitungsbaum reagiert empfindlich auf Veränderungen in der Bearbeitungsreihenfolge und für spätere Änderungen an komplexen parametrisch modellierten Teilen ist aufgrund der vielen Referenzierungen innerhalb der Teilestruktur eine gute Kenntnis der Entstehungsgeschichte des Teiles erforderlich. Einfachere Teile ohne parametrische Zusammenhänge sind aber auch in CATIA ohne lange Einschulung möglich.

Zusammenfassung

In der Grundausbildung hat sich OneSpace Designer wegen seiner einfachen Bedienung und der klaren Modellstruktur sehr bewährt. Obwohl auch in OneSpace Designer einzelne parametrisch gesteuerte Variationen der Teile möglich sind, wird man bei erforderlicher Vollparametrisierung doch auf CATIA zurückgreifen müssen. Allerdings muss man dann auch den höheren Einschulungsaufwand in Kauf nehmen. Sowohl mit dem OneSpace Designer als auch mit CATIA sind weiterführende Anwendungen im CAE-Bereich möglich, wobei der Leistungsumfang der angebotenen Zusatzmodule in CATIA den des OneSpace Designer übertrifft.

Referenzen

OneSpace Designer: www.cocreate.de
Userforen:
www.me10.de, osd.cad.de, www.cocreate-usergroup.ch

CATIA: www-5.ibm.com/de/plm/produkte/catiav5.html
Userforen: www.catusr.de/phorum, www.catiav5forum.de
Foren auf CAD.DE:
ww3.cad.de/cgi-bin/ubb/Ultimate.cgi?action=intro


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